Marcella Sewella – „Leiden wir an gutem Geschmack?“

Fotos: Gerhard Eckardt


„Born Originals, how comes it to pass that we die
Copies?“ Edward Young (1683-1765)

Individualität und Konformität, in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit, bilden womöglich die einzige Konstante in der Mode und die Grundlage dieser Arbeit. Anhand der Themenschwerpunkte Körper, Kleidung und Medien habe ich versucht dieses paradoxe Spannungsfeld zu analysieren. Thematisiert werden Konfektionen, Image und Ideale, diese prägen kollektive Individualitätsvorstellungen und definieren die Mode als Möglichkeit und Wunsch der visuellen Illusion, sich selbst und seinem Umfeld gegenüber; – Mode als Illusion der Wirklichkeit?! Ausgehend von dieser theoretischen Schlussfolgerung ist diese Damenkollektion inspiriert durch das Thema Optische Täuschung, mit dem Rückgriff auf Elemente des Trompe-l’œil.
Der Trompe-l’œil (frz.: „täusche das Auge“), ursprüngliches Stilmittel der Malerei, vermag wie auch die Mode, Verbindungen zu schaffen zwischen Innen und Außen sowie Sein und Schein. Ziel war es durch das Mittel der optischen Täuschung eine Körperminimierung, entsprechend dem Ideal zu bewirken und zugleich auf dieses zu verweisen. Die Entwürfe entstanden u.a. durch das Ineinanderzeichnen von „schlanker“ und „starker“ Figur. Ein „Real-Life Photoshop“: Eine visuelle Modifizierung der Proportionen. Die Konzentration liegt hierbei auf dem Idealmaß, auf der Grundlage und unter Berücksichtigung des gegebenen Körpers. Das Ideal, die schlanke, geforderte und vermarktete Körperform, wird hier als gegenwärtiges Korsett verstanden. Die medial verbreiteten, geschönten und retuschierten Körperbilder finden sich auch in der Gestaltung meines Digitaldruckes wieder. Digitale Körperformate zum Anziehen. Als Ausgangsmotiv dienten Fotomodels, welche digital aufgelöst wurden, die dabei entstandenen Pixel sollen auf die Dekonstruktion des gegebenen Körpers und seine Neugestaltung, entsprechend der Vorbilder, hinweisen. Der Körper als virtuelle und skulpturale Collage. Vorbild und Selbst verschmelzen zum Abbild, zum Objekt, eine Auflösung am eigenen Körper. Das Pixel als Symbol unserer Zeit, in der sich die Identität im Bild aufzulösen scheint.
Die Verwendung von Maschenware als Verweis auf den DIY- Trend. Das Do-It-Yourself – Phänomen als Indikator für die Sehnsucht nach dem Originalen, Fehlerhaften und Unikaten. Es zeigt das gesellschaftliche Bedürfnis, der vereinheitlichenden Massenindustrie zu entfliehen und es deutet gleichzeitig auf die Kommerzialisierung von Einzigartigkeit.
Diese kommerzielle Individualität wird in der Kombination von Material und Motiv verdeutlicht. Die mit Ordnung, Souveränität und vor allem Konformität assoziierten Elemente wie z.B. der Kragen oder das Revers, wurden kombiniert mit Maschenware, die demnach als Sinnbild für Individualität steht. Pixel und Masche reduzieren und vereinfachen vielfältige Informationen; Sie ermöglichen eine stilisierte Übersetzung, in der sich der Wunsch nach Einzigartigkeit und der mediale Einfluss und Überfluss, gleichzeitig widerspiegeln soll. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ideal- und Individualitätsvorstellungen und die Thematik der Optischen Täuschung, sowie das Spiel mit Material, Kontrasten und Attributen sind Grundlage dieser stilisierten und konzeptionellen DOB-Kollektion.