I love China

China, das Land der aufgehenden Sonne im Osten Asiens, mit 1,3 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde, einer steinalten Kultur und einer Dynastie reichen Geschichte, einer unlernbaren Sprache, Kommunismus, Überbevölkerung, Einkindspolitik, Kopiermarnie, ausgebeutete Fabrikarbeiter, ein paar sonderbare Eigenheiten im Essverhalten, usw. Was wussten wir schon von diesem Land ausser den großen Fakten und ein paar unbrauchbaren Klischees?

Nicht viel, so wurde uns, Alexandra Pogosyan und Heike Schimanski, schnell klar, auf dem Weg nach Hangzhou in eine zweiwöchige Summer School der Partnerhochschule ZUST, sowie in ein vierwöchiges Praktikum bei der weltweit immer bekannter werdenden Modefirma JNBY.

In den ersten beiden Wochen der Summer School zunächst einmal als Tourist unterwegs, genossen wir zusammen mit zahlreichen, ebenfalls aus Deutschland angereisten, Studenten ausgiebige Stadtausflüge, unter der Fittiche drei sehr engagierter chinesischer 2+3 Studenten. Das 2+3-Programm, ist ein deutsch-chinesisches Austauschprogramm zwischen der chinesischen ZUST (Zhejiang University of Science and Technology) und der Fachhochschule Hannover.

Ein wenig schwermütig über die Abreise unser liebgewonnenen Mitabenteurer der ersten beiden Wochen, wurden wir nun gut vorbereitet in das Wasser des chinesischen Alltags geworfen. Mit Sack und Pack zogen wir aus unserer ersten Unterkunft, dem Studentenwohnheim für Studenten aus dem Ausland, in unser neues Heim, ein Apartment eines Deutschlehrers der ZUST, der den feuchtfröhlichen chinesischen Sommer über doch lieber im kühleren Deutschland verbringt.

Unser Praktikum begann am Montag morgen. Nur 15 Minuten benötigten wir zu Fuss zu dem Büro der Modefirma, unglaublich wenn man bedenkt, dass die Stadt über 6 Millionen Einwohner hat und dementsprechend groß ist. Das komplexe Bürogebäude war in einem recht modernen Hochhaus, in einer wirklich schönen Gegend. Mit einer ausgiebigen Führung durch die unterschiedlichen Abteilungen lernten wir schon schnell einen Großteil der Mitarbeiter und deren Arbeitsplätze kennen. Wir waren überrascht, wieviele Mitarbeiter die unterschiedlichen Bereiche doch hatten und die Dimensionen von JNBY wurde uns prompt noch einmal bewusst.

Unseren eigenen Platz fanden wir schließlich in der Designabteilung für Damen mit einem eigenen Arbeitsraum, großem Schreibtisch und Fensterblick, umringt von vielfachen Teilen der kommenden Kollektion und nur ein paar Meter davon entfernt, wo all die feinen Teile von JNBY entstehen. Nämlich in den Köpfen der rund 15 Designerinnen, denen wir Tag für Tag über die Schulter schauen konnten.

Ein typischer Arbeitstag sah für uns so aus: Morgens zu Fuss zum Büro, dort am Pförtner vorbei, der uns ziemlich schnell wiedererkannte, waren wir doch die ersten Europäer, die für ein paar Wochen nach Hangzhou kamen um bei JNBY ein Praktikum zu machen. Mit dem Aufzug in den dritten Stock, vorbei an der firmeneigenen Nähwerkstatt, durch ein paar weitere Türen und Treppen hinauf in unser geräumiges Praktikumsbüro. Nach ein paar Stunden Entwerfen und Gestalten ging es jeden Tag pünktlich um ein Uhr hinunter in die hauseigene Firmenkantine, wo wir jeden Tag das großartige chinesische Essen genießen durften und schon nach kürzester Zeit das Stäbchen-Essen profihaft beherrschten, bevor wir dann die letzten Stunden unseres Arbeitstages antraten.

Interessanterweise gehen die Menschen in China zum Essen täglich ins Restaurant, zum Imbiss oder kaufen sich frisch zubereitete Leckerbissen an einem der fahrbaren Grillständen am Strassenrand, selbst gekocht wird eher selten. Unter uns; Das Essen an den kleinen Grillständen, die in vielen Gegenden oft mit einer ganzen Horde weiterer Stände auftauchen, ist das mit Abstand beste Essen und zudem für einen unschlagbaren Preis von gerade mal 20 Cent zu haben.

Eines der großen Highlights unseres Aufenthaltes, betraf die Modenschau von JNBY, dessen Vorbereitung genau in die Zeit unseres Praktikums fiel. Unzählige Busse fuhren Mitarbeiter, Helfer und einige Gäste der Firma in die nahegelegene, niegelnagelneue Produktionsstätte von JNBY. Mit den Idealen der Firma, die sich für faire Arbeitsbedingungen aussprechen, werden hier nicht nur die kommenden Kollektionen der Firma produziert, das geräumige Gebäude im Stil des JNBY Shopdesigns war auch Veranstaltungsort der diesjährigen Modenschau.

Was für ein Glück wir hatten in dieser schönen Stadt Hangzhou unseren Chinaaufenthalt zu verbringen, bestätigten uns einige Ausflüge in die nahe gelegene Großstadt Shanghai. Die Stadt ist definitiv sehr viel europäischer und viele Menschen sprachen Englisch, was uns den Aufenthalt nicht unwesentlich erleichterte. Faszinierenderweise lag unser Hotel in Mitten einer Stoffeinkaufsmeile, für uns als angehende Modedesignerinnen das Paradies auf Erden. Nach den Wochenendtrips in die Metropole, waren wir jedoch immer wieder sehr froh zurück in unserer liebgewonnenes Hangzhou zurückzukehren, da uns die Atmosphäre der Hauptstadt einer alten Dynastie uns doch mehr das Gefühl gab sich in China zu befinden.

Es fiel uns keineswegs schwer uns in den chinesischen Alltag einzuleben. Dafür verantwortlich sind wohl vor allem ein paar unserer Arbeitskollegen, die uns schon in den ersten Tagen ihre Hilfe anboten und uns auf ihren wöchentlichen Badmintontreffen mitschleiften, einer der großen sportlichen Leidenschaften chinesischer, junger Erwachsener.

Zahlreiche Billardabende und Restaurantbesuche mit ihnen brachten uns immer mehr zu der Erkenntnis, dass die kulturellen Unterschiede zwar spürbar, aber keineswegs so groß waren, wie uns die westliche Welt oft glauben lassen will.

Mit Vorfreude auf‘s zu Hause aber auch mit ein klein bisschen Wehmut im Gepäck, stiegen wir nach sechs Wochen wieder in den Flieger gen Heimat; Beeindruckt und dankbar für die großartige Zeit in Hangzhou, den Erfahrungen im Praktikum und darüber hinaus den vielen Begegnungen mit Menschen, die eigentlich ein sehr ähnliches Leben führen wie wir es tun.

Text & Foto: Heike Schimanski & Alexandra Pogosyan