…ein Semester an der Robert Gordon University Aberdeen

„Good morning, I hope you are prepared! We will now proceed with a VOGUE-Test…“
So oder so ähnlich lief  die erste Veranstaltung für die Studiengänge Mode- und Textildesign nach der Begrüßungsrede ab. Ein ELLE-Test sollte später folgen…

Der Hauptcampus der RGU ist etwas außerhalb der Stadt angesiedelt und nennt sich „Garthdee“. Er umfasst die Gray’s School of Art, die Scott Sutherland School, die Aberdeen Business School mit Bücherei, das RGU Sports Centre sowie die Faculty of Health and Social Care. Insgesamt sind die Gebäude relativ neu, in gutem Zustand und auch ziemlich gut ausgestattet.

Die Gray’s School of Art hat viele Werkstätten, wo man immer Zeit und Raum zum Experimentieren findet, und auch einen internen Art-Material Shop. Die Cafeteria ist allerdings aufgrund der Gebäudegröße nicht besonders vielseitig und es gibt nur einen Computerraum, der oft belegt ist. Wenn man also auf letzteren besonderen Wert legt, ist das wohl noch ein Grund auf jeden Fall einen Laptop oder Ähnliches mitzunehmen.
In meinem Fachbereich war ich die einzige Austauschstudierende in einem Semester mit 14 Briten. Die Semestergröße kann zwar von Studiengang und Jahr  abhängig schwanken, aber zumindest an der Gray’s School of Art, wo viel praktisch in den Werkstätten gearbeitet wird, ist eine Semestergröße von 15 bis 20 Leuten normal. Meistens wurden wir dann für unsere Textil-Workshops noch einmal geteilt, sodass die Betreuung und auch die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten immer angemessen waren.
Im Gegensatz zu den an der FHH geläufigen Abgabeterminen am Ende des Semesters hatte ich in Aberdeen alle vier Wochen einzelne Abgaben und Präsentationen. Daran musste ich mich zwar erst gewöhnen, aber hierdurch und auch wegen der Anwesenheitslisten, auf denen wir uns immer ein- und austragen mussten habe ich meine Zeit effizienter genutzt. Es war auch so, dass wir für unser Studio Design einen Raum mit jeweils einem eigenen Schreibtisch mit Pinnwand für uns hatten, an dem wir in Ruhe an unseren Projekten arbeiten konnten.
Weiter waren die vielen Möglichkeiten an der Gray’s School of Art, die man durch den Gebrauch der  diversen Werkstätten wahrnehmen konnte, für mich mit das Beste an meinem Aufenthalt dort. Wenn man höflich fragt, kann man für einzelne Projekte oder einfach nur Experimente auch die anderen Werkstätten des Hauses nutzen. So habe ich zum Beispiel auch in den 3D-Design Räumen gearbeitet.
Exkursionen und die Besuche verschiedener Ausstellungen in Verbindung mit dem Zeichenmodul, das zum Semesterplan gehörte, boten viel Abwechslung und natürlich Inspiration. Zeichnen wird an der Gray`s School of Art besonders für Textildesign als essenziell angesehen, da wir alle verschiedenen Arten der Rapportwiederholung zunächst manuell erstellten. Und natürlich ist es ebenso wichtig den Mustern selbst eine besondere Handschrift zu verleihen.
Alle Kurse, Seminare und Workshops werden natürlich ausschließlich auf  Englisch abgehalten und somit ist ein Basiswortschatz für das Studium dort unbedingt notwendig. Wenn man dennoch Probleme bei abzugebenden Essays hat oder sich mit der Sprache schwer tut, gibt es auf dem Campus ein Büro, das sich auf die Ausbildung von Study Skills spezialisiert hat und Studienhilfe leistet.
Ich selbst habe keinen Sprachkurs in Aberdeen absolviert, aber auch diese werden für alle ausländischen Studenten angeboten, da viele Interessierte aus aller Welt für ein komplettes Studium an die RGU kommen.
Ein Hindernis mag dann vielleicht noch der schottische Dialekt darstellen, dieser ist aber nach einigen Wochen auch kein Problem mehr. Die Schotten sind alle sehr hilfsbereite und freundliche Menschen, sollte man also noch Schwierigkeiten haben, muss man keine Angst haben, noch mal nachzufragen.
Ich habe in Aberdeen in den Rosemount Halls, einem der Studentenwohnheime, gewohnt. Sobald man an der RGU immatrikuliert ist, kann man sich auf deren Seite problemlos für ein Zimmer anmelden und findet als Austauschstudent auch sofort eine Unterkunft in einem der Wohnheime. Die Kosten belaufen sich hierbei von Standort zu Standort unterschiedlich auf zwischen 75 und 95 Pfund die Woche.
Rosemount ist etwas kleiner als das um die Ecke gelegene Woolmanhill, liegt aber auch direkt am Rande der Innenstadt. Die Hauptverkehrsstraße Union Street, von der aus die meisten Busse abfahren, ist zu Fuß ungefähr 7 – 10 min entfernt und viele Supermärkte und auch Einkaufspassagen finden sich auf dem Weg.
Bei „First“, einem der Public Transport Unternehmen, kann man verschiedene Buspässe kaufen (12 Wochen = 115 Pfund), was sich für Studenten am Garthdee Campus auf jeden Fall lohnt und auch nicht so umständlich ist, da man Fahrkarten im Bus immer passend bezahlen muss.
Eine andere Möglichkeit wäre, die Strecke mit dem Rad zu fahren. Es gibt in Aberdeen einen Verleih, bei dem man für ca. 70 Pfund ein Fahrrad ausleihen kann und das Geld dann bei Abgabe fast komplett zurückbekommt. Im Wintersemester spielt das Wetter allerdings eher selten mit, diese Alternative ist also im Sommer reizvoller.
Die ersten zwei Wochen waren für mich etwas anstrengend, da ich mich erst einmal an das neue Umfeld gewöhnen musste und viel Papierkram und Formalitäten zu erledigen hatte.  Es heißt Nerven bewahren, wenn man bis zu sechs Mal in andere Büros geschickt wird, um eine einzige Unterschrift zu bekommen. Dann auch noch rechtzeitig anzukommen ist bei dem Bussystem am Anfang ziemlich unmöglich. Es werden keine Stationen angezeigt und auch auf den Fahrplänen sind nicht alle Haltestellen verzeichnet, d.h. sollte man sich nicht auskennen, ist man verloren.
Was man noch erledigen sollte, ist sich bei einem Arzt registrieren zu lassen. Informationen gibt es dazu auf diversen Infoveranstaltungen zu Anfang des Semesters und einen guten Service bietet zum Beispiel die Garthdee Medical Group direkt am Campus.
Wenn man außerdem nicht ständig Bankgebühren für das Abheben von einem deutschen Konto zahlen möchte, bieten fast alle Banken in Aberdeen kostenlose Girokonten für Studenten an. Das Eröffnen kann bis zu einer Arbeitswoche dauern.
Einen Stromadapter darf man auf gar keinen Fall vergessen mitzunehmen oder vor Ort zu kaufen. Dutyfree bekommt man diese zum Beispiel auf der Fähre, aber auch in den Poundstores der Stadt, die besonders am Anfang einen Besuch wert sind. Dort bekommt man fast alles für den Haushalt zum kleinen Preis.
Die meisten Läden der Stadt sind nur bis sechs Uhr geöffnet, Ausnahmen bilden aber große Retail Parks und einige Supermärkte in der Innenstadt.
Reisen in Großbritannien ist zumindest mit der National Rail sehr teuer. Der Bus ist preisgünstiger und es gibt gute Verbindungen von Aberdeen nach Edinburgh,  Glasgow oder nach Norden, wenn man Loch Ness oder Johnstons of Elgin  mit seinem Cashmere Heritage Centre besichtigen möchte. Vor Studienbeginn Ende September lohnt es sich außerdem, ein bisschen in Aberdeenshire herumzureisen und bei einer Wanderung noch die letzten Sonnenstrahlen des Sommers und die schöne Landschaft dort zu genießen.
Wichtig bei solchen Reisen ist immer, vorher zu buchen, da die Busse direkt vor Abfahrt meistens schon voll besetzt sind.
Das Essen in Schottland kann manchmal sehr gewöhnungsbedürftig ausfallen, da wirklich viel frittiert wird und „Chips“ (Pommes) oder „Wedges“ (Kartoffelspalten) zu allem serviert werden. Möchte man da mal etwas anderes essen, ist selbst kochen die beste Alternative, auch, da die Lebenshaltungskosten in Großbritannien vergleichsweise hoch sind. Man bezahlt ca. 20 bis 30 % mehr als in Deutschland und besonders Lebensmittel sind sehr teuer.
Das Nachtleben ist aufgrund der vielen Studenten ziemlich belebt, das Durchschnittsalter liegt aber unter 20, da viele in Großbritannien schon mit 18 studieren. Trotzdem hat man auf der Union und Belmont Street viele gute Ausgehmöglichkeiten und es gibt auch sonst viel zu sehen und unternehmen. In manchen Pubs am Hafen gibt es live Traditional Music und einmal im Monat kann man zum Scottish Trad Dance gehen, um ein bisschen vom schottischen Pub-Flair bei einem Cider zu schnuppern. Des Weiteren veranstaltet die Gasthochschule viele Treffen für ERASMUS-Studierende, sodass man sich keine Sorgen machen muss, alleine zu sein und keinen Anschluss zu finden.
Dass es in Aberdeen meistens stürmisch oder bewölkt ist, stört nach einer Weile nicht mehr. Irgendwann habe ich es jedenfalls aufgegeben mir immer wieder Regenschirme zu kaufen, da der Verschleiß zu hoch war, und mir ein Cape mit Kapuze gekauft. Und dann kam der Winter; Wir hatten viel zu lachen, als uns abends bei minus 15 Grad Mädchen entgegenkamen, die lediglich in Minikleidern und Highheels herumliefen. Die Schott(-en/-innen) scheinen wirklich nicht zu frieren und Actimel kann man schließlich in jedem Supermarkt zum Sonderpreis kaufen.

Insgesamt war mein Auslandssemester eine sehr positive Erfahrung.
Es war von Vorteil als Studienergänzung nicht Modedesign, sondern Textildesign an der Gray’s School of Art zu studieren. Die Fächer sind eng miteinander verbunden, aber gleichzeitig grundverschieden, sodass ich automatisch zu ganz neuen Ansatzpunkten und Arbeitsweisen gekommen bin, die meiner Arbeit mit Sicherheit auch in Zukunft förderlich sein werden.
Davon abgesehen habe ich auch viel für mich selbst hinzugewonnen. Die Erfahrungen, die man im Ausland macht, kann man wirklich nicht ersetzen. Man wird offener für andere Kulturen, schließt Freundschaften und gewinnt an Menschenkenntnis und Selbstständigkeit.
Natürlich gibt es bei einem Auslandsaufenthalt die ein oder andere Hürde oder Schwierigkeit, die es zu bewältigen gilt. Aber zumindest war es für mich so, dass ich in manchen Situationen, zu denen es zuhause vielleicht nie gekommen wäre, auch mehr über mich selbst gelernt habe.
Gerade deshalb sollte man vielleicht einmal woanders gewesen sein. Wie genau so eine Reise ausgehen mag, weiß man schließlich erst hinterher.
In diesem Sinne schließe ich meinen Bericht hier ab und wünsche allen viel Spaß, Glück und Erfolg im Ausland.